- X.com
- Messenger
- Messenger
Dieser Artikel gehört zum Angebot von SPIEGEL+. Sie können ihn auch ohne Abonnement lesen, weil er Ihnen geschenkt wurde.
Bevor ich diesen Text geschrieben habe, musste ich mich fragen: Bin ich ein echter Sport-Fan oder nur ein Möchtegern? Wer bin ich wirklich, es ist eine dieser existenziellen Fragen. Klingt tiefgründig, dabei geht es nur um einen Ball.
Bisher reichte es mir, das Fußballfeuer in mir zu entfachen, mich als Fußballfan zu verstehen. Kein Wunder: Diese Sportart ist in Deutschland omnipräsent. Bundesliga, Champions League, Welt- und Europameisterschaften. Zu Fußballspielen habe ich einen Zugang, im Fernsehen, in Kneipen, mit etwas Geld auch in Stadien. Beim Public Viewing wird gefeiert, Emotionen kochen hoch, aus Fremden werden Freunde, weil man mit demselben Verein sympathisiert, dieselben Spielerinnen und Spieler lässig findet.
Social Media tut sein Übriges: Auf Instagram folge ich Fußballerinnen und Fußballern, weil mich nicht nur interessiert, was sie können, sondern auch, wer sie sind. Menschen lieben Stories, auch im Sport.
@jackmacbarstool GOLD MEDAL
♬ original sound - Jack Mac
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von TikTok, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Zur Datenschutzerklärung
Olympia in Paris hat mir vorgemacht, was ich verpasse
Dass da draußen noch viel mehr schlummert, war mir natürlich bewusst. Sport ist mehr als Fußball. Aber ich nahm an, für mich gäbe es dort keinen Platz. Olympia? Zu weit weg für mich, zu viel, zu kompliziert.
Doch die Olympischen Spiele in Paris haben mir vorgeführt, was ich alles verpasse. Eine neue Welt hat sich mir erschlossen. Und das Tor zum magischen Ort heißt TikTok. Eine chinesische App, bei der man anzweifeln darf, ob sie mit den Datenschutzbestimmungen der EU konform ist. Und bei der man sich fragen sollte, inwieweit sie der mentalen Gesundheit junger Menschen schadet.
Doch eins muss man TikTok lassen: Es hat den olympischen Sport niedrigschwellig gemacht.
Die lässigsten Olympioniken: Schneller, höher, cooler
Omnipräsenz in Paris: Snoop Dogg, der olympische BürgermeisterAus Paris berichten Jan Göbel und Benjamin Knaack
Schwimmer Henrik Christiansen: Der olympische Muffin-MannVon Wyn Matthiesen
Als Ersatzmann im Achter ins Finale: Ruderer J. Christ kann übers Wasser fahren
Rugbyspielerin Ilona Maher: Sie ist der Social-Media-Star der Olympischen SpieleAus Paris berichtet Florian Haupt
Plötzlich finde ich Profischießen unterhaltsam
TikTok ist wie ein Fächer. Wenn ich die App öffne, entfaltet sich die ganze Bandbreite an Sport-Highlights, die mir bisher verborgen blieb. Ich muss nichts mehr tun, nur swipen.
Der Algorithmus sorgt für das richtige Entertainment. Plötzlich werden mir Clips ausgespielt, die mir zeigen, warum Frauen-Rugby, Skaten, Profischießen und Rudern unglaublich unterhaltsam sind. Den Athletinnen und Athleten komme ich hier so nah wie sonst nirgendwo.
Etwa habe ich von US-Turner Stephen Nedoroscik gelernt, dass er der US-Spezialist im Pauschenpferd ist (Pauschen-was?). Im Internet wurde er als »Pommel Horse Guy« berühmt, weil er sein Team zur Bronzemedaille führte. Manche vergleichen Nedoroscik wegen seiner unbeeindruckten Art, und weil er der (Super-)Held des Tages war, mit Clark Kent. Ich möchte alles über ihn wissen!
Und dann wäre da noch der »Muffin-Mann«, der norwegische Schwimmer Henrik Christiansen. Im Olympischen Dorf zeigt er uns, wie er seine Freizeit verbringt: mit Muffins, die ihn entführen wollen. Oder Ilona Maher, US-Rugbyspielerin, beweist, dass ihr Sport mehr Anerkennung verdient.
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von TikTok, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Zur Datenschutzerklärung
Dass es genau jetzt einen Olympia-Hype auf Social Media gibt, ist kein Zufall. Bei den Olympischen Spielen 2021 in Tokio wurde TikTok international noch nicht so rege genutzt. Als sich die Pandemie damals auf ihrem Höhepunkt befand, lenkten sich User der App vor allem mit Tanzvideos ab.
Auch Olympia fand inmitten der Coronawelle anders statt. Die Athletinnen und Athleten wurden abgeschirmt und mussten Masken tragen. Alles war auf Distanz ausgerichtet.
Jetzt bekommen TikTok-Videos rund um die Spiele zum Teil Millionen Klicks. Sie werden weiterverbreitet und zu kreativen Memes verwoben. Und in den Kommentarspalten wird das ausgedrückt, was ich gerade empfinde: »Diese Olympischen Spiele sind gleichzeitig die lustigsten und chaotischsten. It’s amazing«, schreibt eine Userin.
Es ist, als würde man gemeinsam in einem digitalen Wohnzimmer sitzen und sich zu Olympia austauschen, so, wie ich es sonst nur vom Fußball kenne.
@jemmaviolett #grwm while I talk about the Olympics !! Who else is watching the events this year?
♬ original sound - Jemma Violet
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von TikTok, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Zur Datenschutzerklärung
Die geschützten Übertragungsrechte sind der Olympia-Killer
Auch dass die Videos ausgerechnet auf TikTok viral gehen, passiert nicht zufällig. Die Übertragungsrechte für die Wettkämpfe sind eigentlich streng geschützt. Dafür sorgt ein Vertrag des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) mit der European Broadcasting Union (EBU) und dem US-Unternehmen Warner Bros.
Dabei sein ist alles!?
Vom 26. Juli bis zum 11. August kämpfen in Paris Athletinnen und Athleten aus aller Welt um Bronze, Silber und Gold. 329 Medaillen in 32 Sportarten gibt es zu gewinnen, für Deutschland gehen 427 Sportler an den Start.
Hier finden Sie News, Reportagen, Interviews und Analysen.
Auf TikTok werden Videos der Spiele dennoch unkontrolliert geteilt. Als ich kürzlich einen solchen Clip in meiner privaten Instagram-Story posten wollte, wurde diese von der App gesperrt. Meta, die Firma hinter Instagram, hatte sofort verstanden, dass es sich hier um geschützten Olympia-Content handelt.
TikTok aber interessiert das nicht. Das ist allemal fragwürdig. Doch die Reichweite der Spiele wird erhöht und auch eine Diskussion darüber eröffnet, ob Übertragungsrechte weniger reglementiert werden sollten.
Wenn mich etwas elektrisiert, möchte ich dranbleiben
Denn Social Media zeigt: Der Sport kann neue Zielgruppen erschließen. Jüngere möchten ihn aber anders präsentiert bekommen als die Generationen zuvor. Das bewies etwa der Deutsche Fußball-Bund (DFB) in diesem EM-Sommer, als die Nationalmannschaft in Kooperation mit TikTok Einblicke hinter die Kulissen gab. Statt schweißtreibender Fußball wurden in der App Klassenfahrt-Vibes transportiert. Die Message: »Die Jungs sind wie wir«. Manche der Spieler zählen selbst zur GenZ.
Dank TikTok kannten Millionen junger Menschen plötzlich den Namen Florian Wirtz, auch außerhalb Deutschlands, weil wohl nur er auf so trockene, ungewollt witzige Art Kartoffelspeisen bewerten kann.
@dfb Antwort auf @Marco Schmidt (PART 1) Ihr wollt es - ihr kriegt es! Hier ist die ungeschönte Wahrheit 😅🥵 (vielleicht verliere ich meinen Job) #dfbteam #euro2024 @David Raum
♬ Originalton - dfb
Empfohlener externer Inhalt
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von TikTok, der den Artikel ergänzt und von der Redaktion empfohlen wird. Sie können Ihre Zustimmung jederzeit wieder zurücknehmen.
{$dispatch('toggle')}, 250);">
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden.Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.
Zur Datenschutzerklärung
Auf TikTok findet ein Parallel-Olympia statt
Und nun hat Social Media eine Art Parallel-Olympia geschaffen. Hier verstehe ich den Sport besser. Und ich kann ihn fühlen, weil Emotionen entstehen. Wenn mich etwas elektrisiert, möchte ich dranbleiben. Wie viele Muffins kann der norwegische Schwimmer Christiansen noch essen? Wie geht die Karriere von Rugbyspielerin Maher nun weiter? Das will ich jetzt unbedingt wissen.
Würde ich mich also schon jetzt als waschechten Olympia-Fan bezeichnen? Gerade komme ich mir noch vor wie das Kind, das mit ins Stadion geschleppt wird, es cool findet, dabei zu sein, aber eigentlich keine Ahnung hat. Doch auch aus diesem Kind kann irgendwann ein Ultra werden. Bis dahin swipe ich noch ein bisschen weiter.